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SOFORTHILFE

Anordnung von Erzwingungshaft im verkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren möglich?

Veröffentlicht am 5. Oktober 2020

Die Anordnung der Erzwingungshaft gem. § 96 OWiG ist Freiheitsentzug ohne Strafcharakter. Sie dient dazu, die Vollstreckung von Geldbußen zu erzwingen, wenn der Betroffene die Zahlung ohne Angaben von Gründen verweigert. 

Wesen und Funktion der Erzwingungshaft

Die Erzwingungshaft ist ein Beugemittel, die einzig der Durchsetzung einer Geldbuße dient. Sie soll den zahlungsunwilligen Täter dazu bewegen den festgesetzten Geldbetrag zu begleichen. Die Erzwingungshaft bedeutet den Freiheitsentzug der betroffenen Person, stellt jedoch keine Strafe dar. Sie ist auch keine Ersatzhaft, d.h. sie ersetzt nicht die Geldbuße, sie erzwingt diese. Weil die Erzwingungshaft keine Strafe ist, wird sie weder ins Bundeszentralregister als Vorstrafe eingetragen noch in das Verkehrsregister. Die Erzwingungshaft ist nur für die Vollstreckung einer Geldbuße und Teilbeträge einer Geldbuße zulässig, nicht etwa bei der Verhängung eines Ordnungsgeldes.

In welchen Fällen wird die Erzwingungshaft angeordnet?

Die Erzwingungshaft wird, wenn die Erzwingungshaft nicht oder nicht ganz bezahlt wird, obwohl der Betroffene innerhalb einer Frist keine Gründe vorgebracht hat, warum er die Zahlung unterlässt. Ein beachtlicher Grund könnte z.B. die Zahlungsunfähigkeit der betreffenden Person sein.

Gericht ordnet die Erzwingungshaft an

Die Erzwingungshaft kann nur vom zuständigen Gericht angeordnet werden. Sie unterliegt dem Richtervorbehalt gem. Art. 104 II 1 GG, wobei es sich um ein Justizgrundrecht handelt. Der Betroffene hat also ein Recht darauf, dass ein Freiheitsentzug nur dann statt finden darf, wenn sich vorher ein Gericht mit dem Fall befasst hat. Die Anordnung erfolgt entweder auf Antrag der ermittelnden Behörde oder von Amts wegen, wenn das Gericht selbst Vollstreckungszuständigkeit besitzt. Bevor das Gericht eine Entscheidung trifft kommt es zu einer Anhörung des Betroffenen, was sich wiederum aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 I GG ergibt. Das Gericht entscheidet meist ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in Form eines Beschlusses. Prüfungsgegenstand ist einmal die Rechtskraft des Bußgeldbescheids, die Geldbuße muss darüber hinaus fällig sein und die Voraussetzungen der Erzwingungshaft müssen vorliegen. Der Betroffene muss also zahlungsunwillig sein, eine Zahlungsunfähigkeit darf dem Gericht nicht bekannt sein und der Betroffene muss ordnungsgemäß darüber belehrt worden sein, dass eine Erzwingungshaft bei Nichtzahlung möglich ist. Das Gericht muss schließlich abwägen, ob die Erzwingungshaft in einem gerechten Verhältnis zur Geldbuße steht. Bei geringen Geldbußen kann die Anordnung der Erzwingungshaft unverhältnismäßig sein.

Der Betroffene kann den Beschluss des Gerichts innerhalb einer Woche mit der sofortigen Beschwerde anfechten.

Erzwingungshaft für höchstens drei Monate

Die Dauer der Erzwingungshaft beträgt bei einer einzelnen Geldbuße maximal 6 Wochen, bei mehreren Geldbußen bis zu drei Monaten.

Die Dauer des Freiheitsentzugs wird für den Einzelfall entschieden und muss zwingend in Tagen bemessen werden.

Verlängert werden darf die Erzwingungshaft nicht. Sie kann jedoch abgekürzt werden, wenn der Betroffene schließlich zahlen möchte, dann fallen nämlich die Voraussetzungen für die Erzwingungshaft weg. Für jede Geldbuße darf nur einmal Erzwingungshaft angeordnet werden. Eine Wiederholung für dieselbe Geldbuße ist unzulässig.

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