Wenn ein Polizist einziger Zeuge eines angeblichen Verstoßes des Überfahrens einer roten Ampel ist, kommt seiner Aussage überragende Bedeutung zu.
Das einfache Überfahren eines Rotlichts wird mit einer Geldstrafe von bis zu 90 Euro und einem Punkt in der Flensburger Kartei für Verkehrssünder geahndet. Ein qualifizierter Rotlichtverstoß hingegen wird sogar noch schärfer bestraft. Es drohen eine höhere Geldbuße, Punkte und ein Fahrverbot von einem Monat. Ein solcher qualifizierter Rotlichtverstoß liegt dann vor, wenn die rote Ampel überfahren wird, obwohl die Ampel schon mindestens seit einer Sekunde auf Rot stand oder wenn durch das Überfahren andere Verkehrsteilnehmer konkret gefährdet werden.
Gibt es Video- oder Fotoaufzeichnungen von dem Rotlichtverstoß, so kann es mitunter schwer werden, gegen die Verhängung einer Strafe wegen eines Rotlichtverstoßes vorzugehen. Anders ist dies jedoch, wenn keine technischen Aufzeichnungen den Verstoß belegen, aber lediglich ein einzelner Polizist den Verstoß bezeugt.
Entgegen einem weit verbreitetem Irrglauben in der Bevölkerung scheidet in einem solchen Fall nicht in dubio pro reo (dt.: im Zweifel für den Angeklagten) eine Bestrafung des Beschuldigten aus, weil die Aussage des Polizisten gegen die Aussage des Beschuldigten steht. Vielmehr würdigt ein Gericht die Aussagen des Polizeibeamten und des Beschuldigten. Dabei hat es zu ergründen, ob der Aussagende glaubwürdig und seine Aussage glaubhaft ist.
Polizisten werden dabei von der Rechtsprechung als besonders glaubwürdig erachtet. Es wird davon ausgegangen, dass sie entgegen dem Beschuldigten kein eigenes Interesse an einer bestimmten Aussage haben und damit in besonderer Weise neutral und objektiv in ihrer Darstellung sind.
Legt der Polizist dann glaubhaft dar, dass er von seinem Standpunkt aus frei und eindeutig sowohl die Ampel als auch das überquerende Auto hat sehen können und dass zu dieser Zeit bereits ein Rotzeichen gegeben war, ist es oftmals nur mit weiteren Zeugen oder Beweisen möglich, Zweifel an einem Rotlichtverstoß beim Richter hervorzurufen.
Anders verhält sich dies jedoch, wenn der Polizist angibt, ein qualifizierter Rotlichtverstoß läge vor.
Während der Polizist nämlich bei einem einfachen Rotlichtverstoß nur bezeugen muss, was er auch mit seinen eigenen Sinnen wahrnehmen kann (Ampel steht auf Rot, Auto fährt drüber), kommt bei einem qualifizierten Rotlichtverstoß eine Einschätzung darüber hinzu, ob seit der Schaltung auf Rot bereits mehr als eine Sekunde vergangen ist. Diese Einschätzung jedoch entzieht sich einer Wahrnehmung durch die Sinne und hängt alleine von der Fähigkeit des Polizisten ab, die Dauer einer Sekunde abzuschätzen.
Daher hat die Rechtsprechung (etwa das OLG Köln, Beschluss vom 20.03.2012 – III-1 RBs 65/12) festgehalten, dass in einem solchen Fall die Aussage des Polizisten einem erheblichen Fehlerrisiko unterliegt. Die Aussage müsse daher kritisch überprüft werden. Im Fall vor dem OLG Köln wurde das Urteil der Vorinstanz aufgehoben, weil die Vorinstanz sich nicht entsprechend kritisch mit dem Fehlerrisiko auseinander gesetzt hat.
Betroffene sollten daher in dem Fall des Vorwurfs eines Rotlichtverstoßes einen auf Verkehrsrecht spezialisierten Rechtsanwalt damit beauftragen, Einsicht in die Bußgeldakte zu beantragen. Erst nach Studium der Akte kann eingeschätzt werden, wie das Gericht eine Aussage des bezeugenden Polizisten werten könnte und ob nicht doch auch andere Beweismittel vorliegen. Ist der Polizist einziger Zeuge, so müssen seine Angaben auf Unsicherheiten, Ungereimtheiten und potentielle Fehlerquellen untersucht werden, um so Zweifel beim Gericht an der Tatbestandsverwirklichung zu säen.
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